Bemerkungen des Autors zur DPG-Aktion gegen den Karlsruher Physikkurs
1. Zur wissenschaftlichen Sorgfalt
Zur physikalischen Stichhaltigkeit der Argumente der Untersuchungskommission ist von mir und anderen Kollegen genug gesagt worden. Dabei ist eines merkwürdig: In den Antworten von Seiten der DPG wird betont, dass die Argumente der Vertreter des KPK den Gutachtern bekannt gewesen seien, aber nirgends geht einer der Gutachter auf die Literatur ein, die wir genannt haben.
Insbesondere was die Impulsströme in statischen Anordnungen betrifft: Die Darstellung der Mechanik, wie sie im KPK gehandhabt wird, haben wir genau so im American Journal of Physics und im European Journal of Physics vorgestellt. Jedes Problem, das die Autoren der DPG-Stellungnahme mit dem KPK haben, müssten sie auch mit diesen Veröffentlichungen haben. Warum äußern sie ihre Bedenken nicht, wie es guter wissenschaftlicher Brauch wäre, in diesen Zeitschriften? Entsprechendes gilt für die Entropie als Wärmemaß und für die magnetischen Monopole. Warum setzen Sie sich nicht mit der unserer Darstellung zu Grunde liegenden Literatur auseinander? Und warum werfen Sie nicht einen Blick in die Lehrerbände des KPK?
Hier eine Liste mit Literatur, zu der die Meinungen der Gutachter im Widerspruch stehen. Die Liste könnte beliebig verlängert werden.
2. Die Maßnahmen der DPG zur Beseitigung von KPK-Gedankengut
3. Schadensbilanz
Die Zulassung in China
Der KPK existiert seit einigen Jahren in chinesischer Übersetzung. Er wurde dort an einigen ausgesuchten Schulen unter Aufsicht der Schulbehörde erprobt. Nachdem die Erprobung erfolgreich verlaufen war, wurde von sechs chinesischen Autoren eine neue Version geschrieben, die dem chinesischen Schulsystem besser entspricht und daher zulassungsfähig sein sollte. Das Zulassungsverfahren sollte gerade beginnen, als der Brief der DPG-Präsidentin eintraf. Das Verfahren wurde zunächst eingestellt. Ein Vortrag, mit dem ich den KPK auf der Internationalen Buchmesse in Shanghai vorstellen sollte, wurde abgesagt. Für den chinesischen Verlag entstünde durch das Einstellen des Projekts ein erheblicher finanzieller Verlust; für die zahlreichen engagierten Lehrerinnen und Lehrer stellt es eine große Enttäuschung dar.
Der Aulis-Verlag
4. April 2013: Der AULIS-Verlag kündigt die Zusammenarbeit mit mir auf. (Eine verbesserte Neuauflage einiger Bände stand gerade kurz bevor.) Der Verlag versichert mir aber, dass die Kündigung nicht wirklich im Zusammenhang mit dem DPG-Vorstoß steht.
4. Reaktionen der Community
Die deutschen Kultusministerien
Sie reagieren unterschiedlich: man meldet sofortigen Vollzug, man ignoriert den DPG-Vorstoß oder man verbittet sich die Einmischung.
Hochschulen, Fachseminare, Schulen
Zahlreiche Protestbriefe von Hochschullehrern, Fachseminarleitern, Lehrern an Gymnasium und Gewerbeschulen und ehemaligen Physikstudenten gehen bei der DPG ein.
Der Fachverband Didaktik der Physik
Der Fachverband fühlt sich düpiert, da er als eigentlich zuständige Stelle nicht in der DPG-Untersuchungskommission vertreten war. Er teilt dem Vorstand seinen Unmut mit. Die Präsidentin der DPG meint: „… wäre es doch in den vergangenen 20 Jahren im Aufgabenbereich des FV [Fachverband] gelegen, mit dem Problem fertig zu werden oder zumindest den Vorstand zu alarmieren.“
Austritte
Aus Protest kündigen etliche Kollegen ihre Mitgliedschaft in der DPG auf.
5. Die so genannte Anschlussfähigkeit
Die DPG betont immer wieder, der KPK sei nicht anschlussfähig: Schülerinnen und Schüler, die KPK-Physikunterricht hatten, haben Probleme im Studium, so heißt es. Für diese Behauptung gibt es keinerlei Beweis, und sie ist auch nicht plausibel. Wenn sie zuträfe, sollte sie sich im Erfolg beim Abitur äußern, und zwar in Bundesländern mit Zentralabitur. Entsprechende Daten zeigen keinerlei Hinweis auf eine Benachteiligung von KPK-Schülerinnen und -Schülern.
Was die Meinung der betroffenen Schüler betrifft, so ist uns bisher auch nichts negatives zu Ohren gekommen.
6. Der KPK im Vergleich zu anderen Schulbüchern
Bei der Gelegenheit könnte man sich fragen, ob denn die traditionellen Physikkurse anschlussfähig sind. Bereiten sie die künftigen Studentinnen und Studenten der Physik und der Ingenieurwissenschaften optimal auf ihr Studium vor? Es ist recht leicht nachzuweisen, dass das nicht der Fall ist; die Stichproben, die einem zur Verfügung stehen, sind riesig.
Und enthalten traditionelle Schulbücher keine Fehler? Doch, und zwar gravierende; besonders im Bereich der Thermodynamik, und auch im Bereich des Magnetismus.
Der Autor des Karlsruher Physikkurses
Prof. Dr. Friedrich Herrmann
Karlsruher Institut für Technologie